Cucagna setzt
sich aus unterschiedlichen Bereichen mit einer stringenten Bauabfolge zusammen,
deren zeitlich differenziertere Gliederung anhand der neuen Grabungsergebnisse
detailliert beschrieben werden kann.
Den Nukleus der Burg stellt der
im 11. Jh. gegründete Bergfried dar, der Anfang des 12. Jh. seine heutige (!)
Gestalt bekam. Zu ihm gehörten ein nur noch in der steinernen südöstlichen
Außenwand erhaltener, ansonsten als Fachwerkbau ausgeführter Palasbau (Palazzo
I) und eine Umfassungsmauer.
Bereits in
der ersten Phase wurde ein großräumiges Konzept in Betracht gezogen. Südlich der Burg lag
auf einem vom Bergkamm abstehenden Sporn ein ausgedehnter Vorburgbereich. Inwieweit
das Areal künstlich modifiziert wurde, lässt sich noch nicht vollständig
absehen. Zumindest erhielten die Hanglagen zwischen den Terrassierungen gut zu
verteidigende, bewuchsfreie Lehmplanierungen.
Wohl zwischen
1160-1186 entstand in der Vorburg ein bewohnbarer Turm, der in der zweiten Hälfte des
13. Jh. erweitert wurde und Raum für Last- und Reittiere bot, den kein Zugang zur Kernburg
möglich war (Palazzo IV, Grabung 2008).
Der
Kernbereich der Burg wurde in einer zweiten Bauphase nach Südosten erweitert.
Anstelle der erst als Schildmauer angedachten Außenwand von Palazzo I schützte
die südliche Burgfront ein nach innen offener Schalenturm, dessen Grundriss
(halbiert) die Maße des Bergfriedes aufgriff.
Mit Palazzo II B
entstand in der Süd-Ost-Ecke der zweiten
Bauphase ein weiterer Wohnbau. Den Zwischenraum zur Front der ersten Bauphase
füllte Palazzo II A in ähnlicher Dimension. Mehrere venezianische Münzen vom
Bodenniveau des belegen dessen Bestand Mitte des 13. Jh.. Beide wohnturmartigen
Gebäude besaßen in den freigelegten Kellern eine inzwischen wieder hergestellte
Verbindung, im Burghof war ihnen eine Pergola vorgelagert.
Die
Ausgrabungen sicherten Details, die den raschen Ausbau der Burg und ihre stets
lückenlose Sicherung zeigen. Die Verstrickungen der Familie Cucagna in
ausgedehnte Fehden machte sie erforderlich (die Entführung der 1219 Friedrich von Cucagna
versprochenen Ginevra di Strassoldo gehört zu derartigen Ereignissen und
ist in die lokale Sagenwelt eingegangen). Vor der
Mauerfront der ersten Bauphase wurde etwa auf einen Torgraben verzichtet und dem Fundamentsockel ein mit Steinschutt verfüllter Kasten vorgeblendet, der
das Unterminieren der auf dem Fels aufsitzenden Angriffsfront erschwerte. Im
Schutz dieses Provisoriums konnte die Umfassungsmauer erweitert und der
Halbschalenturm errichtet werden.
Weitere Bauteile der
zweiten Bauphase sind eine Zisterne und ein neues Tor (Tor II). Es behob den Sicherheitsmangel des frontal in
die Außenmauer von Palazzo I integrierten ersten Tores (erst mittig auf Höhe
der ersten Etage, später ebenerdig in die Südecke versetzt), da der Zuweg von
einer stumpfen Mauerecke gedeckt wurde. Leicht erhöht, war das Tor nur über
eine Treppe oder Leiter erreichbar und bot Belagerungsgerät weder
Angriffsfläche noch Raum.
Der Zuweg zu Tor II und die
Fundamente des Tores im östlichen Grabenbereich während der Grabung 2008
Sukzessive
wurde die Fläche zwischen Kern- und befestigter Vorburg bebaut, wobei
vermutlich die hier konzentrierten Wirtschaftsareale weichen mussten. Das
dürfte Anlass gegeben haben, den nördlich der Burg den Bergkamm schneidenden
Graben umzunutzen, seine Innenfläche zu planieren, hier u.a. einen Küchentrakt
anzulegen und den Graben mit einer Mauer und einem weiteren Tor zu sichern.
Ein zweiter vorgelagerter Graben war notwendig. Mit ihm entstand nördlich der
Burg eine die Befestigung ergänzende Insellage.
Die der Errichtung
der Burg dienende Fläche auf dem Bergkamm war Ende des 13. Jh. weitestgehend
ausgeschöpft. Erweiterungen mit größeren Wohnbauten waren nur noch am Hang zur
Vorburg hin möglich. Hier entstand in einer dritten Bauphase der Kernburg Palazzo III (palatium grande). Mit der den Gebäuden auf dem Bergkamm
angepassten Traufhöhe ähnelt der Saalbau einem riesigen Wohnturm. Zwischen 1318
und 1325 erhielt er einen Erweiterungsbau nach Südwesten, der
auf einer der Mauerverbindungen zwischen dem in der ersten Hälfte des 11. Jh.
begonnenen Kern und der in der zweiten Hälfte des 12. Jh. ausgebauten Vorburg
fußt. Der ohne Genehmigung begonnene, das Burgenregal brechende Ausbau führte
1310 zu einer Belagerung unter Patriarch Ottobono d´Razzi. Zwar konnte er
anschließend fortgesetzt werden, die Herren von Cucagna hatten sich dem
Patriarchen aber mit Treueid zu verpflichten und langfristig hohe materielle
Auflagen zu erbringen. Palazzo III stand außerhalb der Umfassungsmauern von
erster und zweiter Bauphase. Den gepflasterten,
rampenartigen Zwischenraum
zu diesen schützten ein Torhaus (Tor III) und eine kleine Poterne (Tor IV). Sie führte auf eine große, von einer Trockenmauer
abgestützte Terrasse.
Freilegung des Zwischenraumes
von Palazzo III A und der Umfassungsmauern von erster und zweiter Bauphase
Brandspuren
und Militaria wiesen hier auf konzentrierte Kampfhandlungen hin. Verschiedene
Indizien deuten an, dass hier der Standort einer Blide war. Welche
Auseinandersetzung sich hier widerspiegelt, konnten weder Funde noch vorhandene
Quellen bislang klären. Der geschlossene Kernbereich der Burg war gut zu verteidigen, Palazzo IV in
der Vorburg wurde allerdings im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen Ende
des 14. Jh. zerstört, was nicht in die historische Überlieferung einging. Ob im gleichen Zug ein in der zweiten Hälfte des 14. Jh. südlich
unterhalb der Burg entstandenes, turmartiges Gebäude mit gepflastertem Innenraum
beeinträchtigt wurde, lässt sich nicht sagen (Grabung 2006). Es ersetzte die
Funktion des Halbschalenturmes der zweiten Bauphase, der im Zuge des
Wiederaufbaus nach 1310 in ein Gebäude integriert wurde. Über dem profan
genutzten Untergeschoss richtete man eine dem Heiligen Jakob geweihte Kapelle
ein. Ihre Identifizierung war anhand einer
Lagebeschreibung von 1326, Rundbogenfenstern, das überwölbte
apsidenartige Obergeschoss des Turmes und einzelne Altfunde aus
dem Innenraum möglich. 2007 konnte die Kapelle nach ihrer Wiederherstellung neu
geweiht werden.
Bislang beschränken sich die Untersuchungen im Vorburgbereich und dem weiteren Umfeld auf erste Sondagen. Sie zeigen aber bereits, dass um die Hauptburg eine vielgliedrige Bebauung bestand. Palazzo IV und der Bau am terrassierten Burgfuß östlich Cucagnas liegen etwa auf selben Niveau und erste Beobachtungen deuten an, dass sie zu einem Mauerkranz um die Burg gehörten.
In der zweiten Hälfte des 14. Jh.
erreichte die Burg damit ihre umfangreichste Ausdehnung und wird, dicht bebaut,
mehr wie eine
befestigte Ortschaft gewirkt haben.
Die beeindruckende Optik wandelte sich ein letztes Mal, als
die Burgen Cucagna und Zucco, deren Bau als separate Verteidigungsanlagen 1248
Patriarch Bertoldo von Andechs-Merania genehmigte und die später ein
eigenständiger Familienzweig bewohnte, eine Mauer verband. Diese jüngste Befestigung entstand nach der
Aufgabe der Vorburg. Sie versuchte, die Burgen den wehrtechnischen
Veränderungen im 15. und Anfang des 16. Jh. anzupassen, war allerdings mehr auf
Fernwirkung ausgelegt. So entstand ein festungsartiger Eindruck, den ein
zweiphasiges Gebäude auf halben Weg zwischen den Burgen unterstützte. Trotzdem
verloren die Burgen ihre eigentliche Funktion und die kulissenartige Mauer
wurde nach 1522 wohl als Baumaterial abgetragen, so dass sich überwiegend nur
die Fundamentlage als Landmarke erhielt.
Fundmaterial
und Restaurierung