Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Römische Villen im Klettgau
Aspekte der römischen Besiedlung am östlichen Hochrhein

von Jürgen Trumm

Die folgenden Zeilen führen durch den Klettgau, einer Landschaft zwischen Hochrhein, Schwarzwald und Südwestdeutschem Schichtstufenland. Heute von der Staatsgrenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz durchschnitten, gehörte der Klettgau in römischer Zeit vollständig zur Provinz Obergermanien. Da epigraphische Zeugnisse fehlen, läßt sich über die Zugehörigkeit des Gebietes zu einer civitas nur spekulieren; Schleitheim (Kanton Schaffhausen), das IVLIOMAGVS der Tabula Peutingeriana [1], käme als Vorort einer Gebietskörperschaft in Betracht [2]: Jedenfalls ist aus dem Untersuchungsgebiet bislang kein weiterer vicus bekannt [3].

Abb.1: Geologie und römische Besiedlung im Klettgau.
Dreiecke: Gesicherte römische Siedlungsstellen.
Grau: Gesteinsunterlage aus Gneis, Granit oder Buntsandstein.

Im Rahmen einer Magisterarbeit wurden kürzlich die römischen und völkerwanderungszeitlichen Fundstellen dieses naturräumlich geschlossenen Gebietes in Katalogform und auf einer Karte im Maßstab 1:50.000 zusammengestellt [4]. Daraus seien kurz die wichtigsten Ergebnisse referiert:

Im Arbeitsgebiet, welches von West nach Ost ca. 42 km, von Nord nach Süd ca. 35 km mißt, sind bislang 144 Fundstellen bekannt, davon können 90 als römische Siedlungsstellen angesprochen werden. Eine nähere Interpretation verbietet sich, da in den meisten Fällen lediglich Einzel- oder Oberflächenfunde vorliegen. In einem Gebiet mit ausreichendem Forschungsstand - wie etwa rund um Schleitheim - haben die römerzeitlichen Siedlungsstellen einen durchschnittlichen Abstand von ca. 1,5 km. Ähnliche Verhältnisse zeichnen sich in den Nachbargebieten Hegau [5] und westliches Hochrheintal [6] ab. Ob man aus diesen Zahlen vorbehaltlos die landwirtschaftliche Nutzfläche der Gutshöfe erschließen kann, erscheint allerdings fraglich: Die Deutung vieler Fundstellen als Überreste einer Villa Rustica ist ebensowenig gesichert wie die zeitgleiche Belegung aller Siedlungen.

Neben der Anbindung an das antike Straßennetz - durch den Klettgau verlief die wichtige Straße vom Hochrhein zur Oberen Donau - haben die naturräumlichen Voraussetzungen das römische Siedlungsbild entscheidend mitgeprägt. Wie Abb. 1 zeigt, wurde das unfruchtbare Granit-Gneis-Gebiet des Schwarzwaldes ebenso gemieden wie die ihn randlich begleitende Sandsteinzone. Römerzeitliche Siedlungsstellen lagen ausschließlich auf Böden mit einer Unterlage aus Muschelkalk oder jüngeren Formationen, wobei Höhen bis zu 700 m ü.M. aufgesucht wurden.

Als charakteristische Lage der Gutshöfe im Klettgau erweisen sich Hänge am Übergang von der Niederterrasse zur Talaue, die den römischen Siedlern Anteil an trockenen und feuchten Ökotopen boten. Die Wohngebäude wurden dabei zumeist auf trockenen Schwemmkegeln am Ausgang kleiner Seitentälchen errichtet, eine bevorzugte Ausrichtung nach einer bestimmten Himmelsrichtung kann bislang nicht festgestellt werden.

Beginn und Ende der römischen Besiedlung kann erst nach Aufnahme des Fundmaterials beurteilt werden. Bislang sind keine Holzvorläufer von Villen bekannt, dies mag aber rein grabungstechnisch bedingt sein. Besondere Aufmerksamkeit wird man dem Verhältnis der zivilen Aufsiedlung zur militärischen Okkupation schenken müssen [7]. Zu den Verhältnissen nach der Aufgabe des Obergermanisch-Rätischen Limes können interessante Aufschlüsse erwartet werden, da die Münzreihe des Arbeitsgebietes bis weit in das 4. Jahrhundert hinein beachtliche Stückzahlen aufweist [8]. Die Zusammenstellung frühalamannischer Funde aus einigen Gutshöfen wird Hinweise auf das frühmittelalterliche Siedlungswesen geben.

Bislang liegen aus dem Arbeitsgebiet 20 Grundrisse von Steingebäuden vor, davon können mindestens 11 aufgrund ihres Grundrisses oder ihrer Ausstattung (Hypokausten / bemalter Wandverputz / Mosaiken) als Wohngebäude von Gutshöfen angesprochen werden (Abb. 2).

Abb.2: Wohngebäude römischer Gutshöfe im Klettgau.

Einen Haupttypus römischer Wohnbauten im Klettgau vertritt die Portikusvilla mit Eckrisaliten, im Arbeitsgebiet bislang fünfmal nachgewiesen (Abb. 2, 1-5). Die repräsentative Schauseite dieser Villen war stets zum Tal hin ausgerichtet, hinter der aufwendig gestalteten Risalitfront schloß sich ein rechteckiger Kernbau an. Letzterer konnte sehr unterschiedlich gestaltet sein: In Geißlingen (Abb. 2, 4) waren zahlreiche kleinere Räume von einem Mittelgang aus zu erreichen, während in Siblingen (Abb. 2, 3) ein zentraler Innenraum anzunehmen ist. In Beringen (Abb. 2, 2) und Osterfingen (Abb. 2, 1) schließlich reihten sich die Zimmer portikusartig um einen wohl offenen Innenhof.

In der Zusammenstellung auffallend sind die fast identischen Maße der Anlagen von Beringen und Osterfingen Phase 1 (Abb. 2, 1-2) einerseits sowie Siblingen und Geißlingen (Abb. 2, 3-4) andererseits. Hier könnte man an eine regional einheitliche Bauplanung denken. Hervorzuheben ist auch, daß die im Klettgau angetroffene Größe der Risalitfassade zwischen 42 und 48 Metern über dem durchschnittlichen Baumaß rechtsrheinischer Villen liegt und nur von großen Anlagen in Bondorf [9], Hechingen-Stein [10], Meßkirch [11] sowie Sontheim Gebäude K [12] erreicht wird.

In der mittleren Reihe sehen Sie 5 Bauten, deren Grundkonzeption ein einfacher Rechteckbau darstellt (Abb. 2, 6-10). Dabei gruppieren sich z.T. hypokaustierte und mit Wandmalereien ausgestattete Raumfluchten um einen Zentralraum, der bei den größeren Anlagen vielleicht als offener Innenhof gestaltet war. Die Größe der Gebäude reicht von 21 x 12 bis hin zu 37 x 25 m, eine Längsseite war dabei stets zum Tal hin ausgerichtet. Im Falle von Schleitheim-Brühl (Abb. 2, 9) wurde die Fassade durch einen Annex noch zusätzlich betont und erreichte so eine beachtliche Länge von 42 m.

Im Arbeitsgebiet singulär schließlich ist der Befund von Schleitheim-Vorholz (Abb. 2, 11). Das an einem Nordhang liegende Gebäude erreichte eine Ausdehnung von mindestens 95 x 70 m. Kernbau war wohl ein langrechteckiger Komplex, bei dem sich Wohnräume achsensymmetrisch um einen Innenhof gruppierten. Später kam an der Südseite ein langgestreckter Badetrakt hinzu, der so entstandene Bau glich dem Grundriß von Schleitheim-Brühl (Abb. 2, 9).

In einer späteren Bauetappe kamen ein großer Risalit sowie ein weiteres Bad dazu, diese Flügelbauten wurden durch eine hufeisenförmige Portikus miteinander verbunden.

Zur so entstandenen, mit vier Mosaikböden ausgestatteten Anlage findet man Parallelen ausschließlich im linksrheinischen Gebiet. Sowohl der Kernbau als auch der u-förmige Gesamtkomplex sind Merkmale großer längsaxialer Anlagen in der Schweiz und in der Pfalz [13].

Wir haben gesehen, wie sich für ein naturräumlich geschlossenes Gebiet regionale Eigenheiten herausarbeiten lassen: Bei der Vorstellung der Wohngebäude wurde eine gewisse Sonderstellung des Klettgaus im Rechtsrheinischen bereits angedeutet. Diese Erscheinung wird unterstrichen, wenn man die Ausstattung römischer Gutshöfe mit Mosaiken betrachtet: Während sich an Hoch- und Oberrhein sowie an der Oberen Donau die Mosaikfunde in Villen häufen, haben wir bei der großen Anzahl bekannter Gutshöfe gegenüber von Mainz bislang keinen einzigen gesicherten Befund zu kartieren.

Die geplante Aufnahme und Auswertung aller Befunde und Funde aus dem Klettgau wird es vielleicht ermöglichen, weitere siedlungsarchäolgische Besonderheiten dieser Kleinregion innerhalb der römischen Provinz Obergermanien herauszuarbeiten.

 

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