Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Freiburger Ur- und Frühgeschichtler auf den Spuren des Bergbaus in Mittelasien

Artikel aus dem Freiburger Uni-Magazin 1/95

Der folgende Text stammt aus dem Freiburger Uni-Magazin 1/95 und ist unter http://www.uni-freiburg.de/univ/3w/service/pre/unimagazin/tadsckik.html im WWW abrufbar. Die hier angebotene Fassung wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit (z.B. Umlaute) im HTML-Code leicht überarbeitet - der Inhalt blieb unverändert.

Berglandschaft in Tadschikistant

Wissenschaft lebt vom geistigen Austausch und damit von Kontakten zwischen den einzelnen Forschern. Deshalb nahmen die beiden Archäologen Professor Dr. Heiko Steuer, Direktor des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, und Professor Dr. Gerd Weisgerber, Leiter des Instituts für Montanarchäologie am Deutschen Bergbau-Museum in Bochum und Honorarprofessor am Freiburger Institut, die einmalige Gelegenheit war, um an einer wissenschaftlichen Konferenz an der Staatlichen Universität Chudshand, früher Leninabad, in Tadschikistan teilzunehmen. "Geschichte und Perspektiven der Bergbauindustrie in Mittelasien" war das Thema dieser internationalen Veranstaltung, die letzten Juli stattfand. Ziel der Konferenz war neben der Anknüpfung von wissenschaftlichen Partnerschaften zwischen Montanarchäologen aus Mittelasien und westlichen Ländern vor allem der Besuch urgeschichtlicher und mittelalterlicher Erzlagerstätten und Bergwerke. Gemeinsam mit zehn anderen Teilnehmern gehörten Professor Steuer und Professor Weisgerber zu den ersten westlichen Montanarchäologen, die sich nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums in diesem Gebiet zu Forschungszwecken aufhalten konnten.

Bergbau auf hohem technischen Niveau

Prof. Jiri F. Burjakow
Professor Jiri F. Burjakow vom Institut für Archäologie der Akademie der Wissenschaften der Republik Usbekistan, erklärt Schmelz- und Töpferöfen aus dem 8. und 9. Jahrhundert.

Mit einem etwas klapprigen Bus des Instituts für Archäologie an der Akademie der Wissenschaften der Republik Usbekistan fuhren die Konferenzteilnehmer zu den historischen Stätten zwischen Syrdarja und Amurdarja, Buchara und Samarkand, Taschkent und Pentschikent. Hier waren Höhenlagen über 3.500 Meter zu bewältigen und Oasenkulturen in den Flußtälern zu durchqueren. Für die Montanarchäologen bot die Reise einen einzigartigen Einblick in eine Weltgegend, in der bereits sehr früh Bergbau betrieben wurde, viel früher als in Europa oder in Deutschland. Hier ist der Bergbau erst seit dem 10. Jahrhundert - im heimischen Schwarzwald seit dem 11. Jahrhundert - urkundlich belegt.

Quecksilberbomben: Handelsgefäße
"Quecksilberbomben" aus dem 10. Jh.: Transportgefäße für den Handel bis nach Nord-Europa

Unter der Dynastie der iranischen Samaniden des 10. Jahrhunderts erreichte die islamische Kultur in Mittelasien ihren ersten Höhepunkt. Hier wurden Silberbergwerke zur Prägung einer bestimmten Silbermünze, der sogenannten "Dirhem" ausgebeutet und viele hundert Tonnen Silber gewonnen. Die Spuren dieser Bergwerke kann man noch heute in der Natur wahrnehmen und studieren. Von Mittelasien gelangte dieses Silber in Münzform oder als schwere Hals- und Armringe in großen Mengen über die russischen Stromtäler der Wolga bis an die Ostsee und in die skandinavischen Länder. Träger des Handels waren damals die Wikinger, die weit nach Rußland hinein und nach Byzanz, ans Kaspische Meer zogen. Tausende von vergrabenen Silberschätzen belegen in allen Ländern rund um die Ostsee den immensen Zustrom an Silber aus Mittelasien.

Dem Silber auf der Spur

Schatz von Ablik
Der Schatz von Ablik:
Silberanhänger aus einem großen Fund des 10. Jh., ausgestellt im Museum Angren / Usbekistan

Am Freiburger Institut für Ur- und Frühgeschichte beschäftigen sich Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Steuer bereits seit vielen Jahren mit dem Silberbergbau im Schwarzwald und mit den Silberschätzen Skandinaviens. Durch den nun während der Konferenz hergestellten Kontakt haben sich die Freiburger Montanarchäologen zum Ziel gesetzt, das Ursprungsgebiet des nordischen Silbers in Usbekistan und Tadschikistan genauer zu erforschen. Auf islamischen Silbermünzen wurde neben der Jahreszahl auch oft die Lagerstätte, die Silbermine, genannt. Diese Orte sind heute noch gut lokalisierbar, so daß die alten Bergwerke des 10. und 11. Jahrhunderts unmittelbar untersucht werden können. Im Vergleich zu den heimischen Silberbergwerken im Schwarzwald zur Zeit des Mittelalters waren die mittelasiatischen Lagerstätten und Bergwerksreviere jedoch um ein Vielfaches größer und ergiebiger. Nun interessieren sich die Freiburger Montanarchäologen dafür, wie die Menschen damals das begehrte Edelmetall abgebaut und weiterverarbeitet haben.

Bronzezeitliches Bergwerk
Im Gelände. Untersuchung eines Bergwerks aus der Bronzezeit

Auch in prähistorischer Zeit haben die reichen Erzlagerstätten Mittelasiens immer wieder Menschen angezogen. Urgeschichtliche Feuersteinbergwerke und vor allem Kupfer- und Zinnbergwerke sollen in Zukunft gemeinsam mit den Kollegen in Tadschikistan und Usbekistan erschlossen werden. Am Deutschen Bergbau-Museum erforscht man seit Jahren weltweit den prähistorischen Bergbau, so daß die Freiburger Archäologen auch hier in Kooperation sich neue Forschungsgebiete erschließen können.

 

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