Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Reute Schorrenried, eine chalcolithische Moorsiedlung des 4. Jahrtausends v.Chr.
Stratigraphie, Architektur und Baustruktur

von Martin Mainberger

Dieser Text basiert auf einer Arbeit, die die archäologischen Befunde der jungneolithischen Siedlung "Reute Schorrenried" vorlegt und die zur Publikation in der Reihe "Siedlungsarchäologie im Alpenvorland" vorgesehen ist. Der geplante Band soll außerdem - als zweiten Teil - die Auswertung der Funde und - als dritten Teil - verschiedene naturwissenschaftliche Beiträge enthalten.

Abstract

Reute-Schorrenried wurde 1934 entdeckt und von 1980 bis 1985 im Rahmen mehrerer Ausgrabungen untersucht. Die Geländeaktionen wurden vom "Projekt Bodensee-Oberschwaben" des Landesdenkmalamtes Baden - Württemberg durchgeführt. Dabei wurden etwas über 400 qm geöffnet. Nach vorliegenden Dendrodaten von Pfählen und Liegenden Hölzern ist die Siedlung in das 37. Jhdt. zu datieren.

Bild: Nordufer
Abb. 1: Blick über das prähistorische Nordufer

Die Fundstelle liegt in einem trockengelegten, landwirtschaftlich genutzten Feuchtgebiet im Bereich der Jungendmoräne bei Reute, Stadt Bad Waldsee. Bohrungen und Aufschlüsse zeigen, daß es sich bei den heutigen Riedflächen ursprünglich um ein offenes Gewässer handelte. Die maximale Größe dieses Sees betrug etwa 800 auf 200 m; er stand hydrologisch jedoch wohl mit einem größeren Seensystem in Verbindung. Die erbohrten Verlandungsschichten weisen Hinweise auf Wasserspiegelschwankungen bereits von Beginn der Verlandung an auf.

Die Siedlung lag auf einer bereits vertorften Landzunge in der Mitte dieses Stillgewässers.

Bild: Stratigraphie
Abb. 2: Modell der stratigraphischen Verhältnisse

Allerdings beschränkt sich die Kulturschicht nicht auf diese relativ hochgelegenen Bereiche des Torfhorsts. Sowohl nach Süden als auch nach Norden erstrecken sich die Kulturschichten bis in die limnische Schichten des ehemaligen Sees. Dies hat stark kontrastierende Eigenschaften der Kulturschicht in den verschiedenen, hoch/innen bzw tief/außen liegenden Untersuchungsarealen zur Folge. Den Hauptfaktor im Bezug sowohl auf Schichtbildung als auch Schichterhaltung bildet die Nähe zum See- bzw. Grundwasser.

Bei den in der Peripherie der Siedlung liegenden Schichten handelt es sich offenbar um teilweise zeitlich parallel zur Besiedlung entstandene, teilweise unmittelbar nach der Auflassung im Folge einer Überschwemmung entstandene Bildungen. Neu einsetzendes Torfwachstum versiegelte anschließend die Schichten, ohne daß es in der Folge zu neuen Besiedlungsversuchen kam.

Die topographisch am höchsten liegenden Siedlungsteile enthalten heute nur noch einige Lehmestriche, Eichenpfähle und mineralisierte Kulturschichten. In diesem Bereich beschränkten sich die Untersuchungen auf Bohrungen, einige Aufschlüsse und Sondageschnitte sowie ein Feinnivellement der Oberfläche. Die eigentlichen Ausgrabungsarbeiten konzentrierten sich auf die etwas tiefer liegenden nord- und südwärtigen Randbereiche der ehemaligen Siedlung.

Hier konnten insgesamt acht Gebäudereste angeschnitten werden, die in Reihenfolge ihrer Aufdeckung durchnumeriert wurden ("Haus I bis "Haus VIII"). Von all diesen auf Torf gegründeten Bauten ist "Haus I" am besten erhalten und am gründlichsten untersucht. Von einigen bezeichnenden Einzelheiten abgesehen, scheinen die übrigen Hausrelikte diesem Gebäude konstruktiv weitgehend zu entsprechen.

Bild: Haus 1
Abb. 3: Pfähle, Holzboden und Feuerstelle von "Haus I"

Der größte Teil des Bodens, eine Feuerstelle sowie die Fundament- und Tragpfähle der Wände und des Daches sind hier erhalten. Der Unterbau des Bodens ist aus kreuzweise übereinandergelegter Rund- und Spalthölzern, die von Fundamentpfählen gestützt werden, hergestellt. Im Innenraum des Gebäudes ist auf diese Konstruktion ein Lehmboden aufgebracht; ein wahrscheinlich überdachter Vor- und Arbeitsplatz bleibt dagegen lehmfrei. Die rechteckige Feuerstelle aus Steinplatten und einem Lehmaufbau liegt im Zentrum des Innenraums. Zusammen mit den in sich überkreuzenden Fluchten stehenden Pfählen ergibt sich ein Grundriß von ca 4 auf 6 m, der nach OSO orientiert ist. Im Aufriß läßt sich ein Rechteckbau mit Satteldach rekonstruieren.

Bild: Modell Haus I
Abb. 4: Modell der Holzarchitektur von "Haus I" im Aufriß

Am ehemaligen Nordufer wurde außer solchen ebenerdigen, auf Torf erstellten Gebäuden einige Baureste dokumentiert, die keine Holz-Lehmböden, Feuerstellen o.ä. mehr aufwiesen. Verschiedene Hinweise sprechen dafür, daß die Kulturschicht hier unter Wasser abgelagert wurde und daß es sich bei den Gebäuden um im Überschwemmungsbereich des Ufers stehende, vom Untergrund abgehobene "Pfahlbauten" handelte. Eines dieser Gebäude setzt sich zusätzlich durch Orientierung und Fundinventar so stark von allen übrigen Gebäuden ab, daß man auf eine Sonderrolle innerhalb der Siedlung schließen muß.

Am nördlichen Siedlungsrand wurde außerdem eine Pfahlstruktur angeschnitten, die als Teil eines Zauns interpretiert werden kann. Diese Pfählung bleibt aber rätselhaft, weil sie sich ausgerechnet an einem der wasserwärtigen Ränder der Siedlung befindet, während die mit festem Land verbundenen Siedlungsränder offen zu bleiben scheinen.

Bild: Modell der Baustruktur
Abb. 5: Modell der Baustruktur

Das Fundmaterial häuft sich generell im Außen- und Randbereich der Siedlung. Wahrscheinlich ist dies nicht allein auf bessere Erhaltungsbedingungen zurückzuführen. An manchen Stellen wurden richtige"Abfallhäufen" angelegt, sodaß man davon ausgehen kann, daß aus dem Siedlungsinnern Abfälle nach außen getragen wurden.

Zusammen ergeben die verschiedenen Gebäudereste einen Siedlungsplan mit insgesamt 31 Baueinheiten. Aufgrund der Unsicherheiten des Feinnivellements gibt dieser Plan aber keine Auskunft über die Gesamtanzahl der Gebäude. Die Struktur der Siedlung zeichnet sich hingegen deutlich ab: Die Gebäude formieren sich zu fünf genordeten Häuserzeilen, die Zwischenräume als Transportwege frei halten. Nur wenige Gebäude fallen aus diesem Schema heraus.

Der Vergleich mit Siedlungen der "Pfyn-Altheimer Gruppe", der "Pfyner Kultur" und der "Altheimer Kultur" zeigt, daß diese Struktur kein Zufallsergebnis einer ungeregelten Bautätigkeit sein kann. Vielmehr ist anzunehmen, daß sie bestimmte Normen des sozialen Zusammenlebens widerspiegelt. Von diesen gesellschaftlichen, geistigen und religiösen Hintergründen werden Grundzüge erkennbar.

Literatur:

M. Mainberger
Ausgrabungen im Schorrenried bei Reute, Stadt Bad Waldsee, Kreis Ravensburg,
Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1982 (1983) 56-58.

M. Mainberger
Die Grabungskampagne 1983 im Schorrenried bei Reute, Stadt Bad Waldsee, Kreis Ravensburg,
Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1983 (1984) 59-61.

 

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