Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Ein Blick in die Villa Urbana
Freiburger Archäologen erforschen eine außergewöhnliche römische Villenanlage in Heitersheim

Artikel aus dem Freiburger Uni-Magazin 6/94

Die südlich Freiburgs im Markgräfler Land gelegene Stadt Heitersheim war vielen bisher in erster Linie durch das imposante Malteserschloß bekannt. Die im wesentlichen aus dem 16. Jahrhundert stammende Anlage, eine der größten Niederungsburgen Süddeutschlands, diente bis 1806 als Sitz der deutschsprachigen Sektion des Malteserordens. Seit kurzem ist nun bekannt, daß das Schloß einen nicht minder interessanten Vorgänger aus römischer Zeit hat. Diesen zu erforschen und in sein historisches Umfeld einzubinden, ist das Ziel eines Forschungsunternehmens, das zur Zeit von der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie unter Leitung von Professor Dr. Hans Ulrich Nuber durchgeführt wird.

Grundriß
Abb. 1: Grundriß der villa urbana in Heitersheim

Lesefunde wie römische Ziegel und Keramikscherben wiesen die Äcker in der Flur "In den Betten" östlich des Schlosses schon lange als römische Siedlungsstelle aus. Sie waren der Anlaß, das Areal als schützenswertes Bodendenkmal auszuweisen. Dennoch war es eine kleine Sensation, als im Jahre 1989 aufgenommene Luftbilder erstmals die wahre Größe und Struktur der Anlage erahnen ließen. Die mittlerweile unternommen Grabungen konnten die anfänglichen Vermutungen bestätigen: Es handelt sich in Heitersheim um eine Großvilla mit komplexem Hauptgebäude und davorliegendem weitläufigen Wirtschaftshof, die von einer langrechteckigen Umfassungsmauer umgeben ist. Dieses architektonisch durchgestaltete Ordnungsschema mit auf Symmetrie und Achsialität bedachten Entwurfsprinzipien ist bisher vornehmlich von Villen aus dem Moselraum, Zentralfrankreich und der Schweiz bekannt. Man bezeichnet diese - in Anlehnung an die Landsitze der reichen Grundbesitzer in Italien - mit einem antiken Ausdruck als "villa urbana". Damit unterscheidet man sie von den einfachen bäuerlichen Gutshöfen, den "villae rusticae", die auch in römischer Zeit das Fundament des ländlichen Siedlungsraumes bildeten.

Einmaliger Fund

Im rechtsrheinischen Grenzland des Römerreiches ist eine derartige Großvilla bisher noch nicht bekannt gewesen. Allein der enorme Gesamtumfang der Villa von fast sechs Hektar ließ für die Freiburger Archäologen nur eine teilweise Untersuchung mittels Sondagen zu. Das Hauptgebäude der römischen Villa (A) wurde in den 20er Jahren des ersten. nachchristlichen Jahrhunderts zunächst als einfacher Holzfachwerkbau errrichtet. Damit ist Heitersheim gegenwärtig der früheste römische Fundplatz rechts des Oberrheins. Im frühen zweiten Jahrhundert gruppiert sich das nun steinerne Hauptgebäude - in Anlehnung an große italische Villen - um einen großen Innenhof mit einem von Säulen umstandenen Wasserbecken, "Peristyl" genannt. In der südlichen Raumflucht lagen die privaten Zimmer der Villenbewohner, der Nordteil diente repräsentativen Zwecken. Südlich davon erhob sich ein kleines separates Badegebäude (B). Am Ende des zweiten Jahrhunderts wurde das Hauptgebäude stark umgebaut. Das Peristyl mit Wasserbecken wurde aufgegeben, an seine Stelle trat nun ein offener Hof mit Umgang; die repräsentativen Räumen im Norden wurden vergrößert, ebenso wie das Badegebäude, das nun durch Mauerzüge in den Gesamtwohnkomplex einbezogen wurde.

Neben den für die zeitliche Einordnung wichtigen Funden wie römische Münzen und "Terra-Sigillata"-Bruchstücke fanden sich bei den Ausgrabungen vor allem Gegenstände des täglichen Lebens, neben den Bruchstücken von Kochtöpfen, Gläsern, auch Haushaltsgeräte wie Lampen und Schlüssel, sowie persönlicher Besitz, etwa Gewandspangen sogenannte "Fibeln". Darüberhinaus zeugen über 10 000 Mosaiksteine, Fragmente von importierten marmornen Wand- und Fußbodenbelägen und vielfarbig bemalter Wandverputz vom außergewöhnlichen Ausstattungsniveau der römischen Villa von Heitersheim.

Recycling einer Villa

Trotz der weitgehenden Überbauung des römischen Villenareals durch das mittelalterliche Malteserschloß konnten im Wirtschaftsteil die Spuren einiger Nebengebäude erfaßt werden. Im Norden des Hauptgebäudes befindet sich ein großer zweiperiodiger Speicherbau (C). An der südlichen Umfassunsgsmauer liegen zwei Fachwerkbauten auf Steinsockel (Gebäude D und E). Aus dem dazugehörigen Keller stammen drei komplett erhaltene Vorratsgefäße. Weitere teilweise mehrperiodige Nebengebäude (Bauten F-H) liegen an einem Weg entlang der nördlichen Außenmauer. Hinweis auf gewerbliche Produktion geben zwei Brennöfen zur Keramikherstellung in der Nordwestecke der Anlage.

Die römische Besiedlungsphase endet in der Mitte des dritten Jahrhunderts. Für die folgende Zeit fehlen bisher Anhaltspunkte. In der Mitte des siebten Jahrhunderts wurde ein merowingerzeitlicher Krieger in der Halle des verfallenen Hauptgebäudes bestattet. Später wurde die Ruine als Steinbruch benutzt, viele Mauern bis in die untersten Fundamentlagen ausgeraubt. Dieses "Recycling" hängt mit dem Bau des Malteserschlosses zusammen, das aus einem fränkischen Königshof am Platz hervorgegangen ist.

Interessant ist, daß das Heitersheimer Schloß der frühen Neuzeit die architektonische Zweiteilung in Herren- und Wirtschaftshof der römischen Villa wiederaufnimmt. Mit diesem Nebeneinander von "Älter" und "Jünger" wird in sinnfälliger Weise die Wirksamkeit historischer Kräfte durch die Jahrhunderte und über Epochengrenzen hinweg deutlich.

Ausgrabung
Abb. 2: Mit Geduld und Spaten. Freiburger Archäologen bei der Arbeit

Fast ebenso ungewöhnlich wie die römische Villenanlage ist auch die Finanzierung ihrer Erforschung. Dazu wurde ein Fünfjahresprojekt ins Leben gerufen, das - einmalig in Baden-Württemberg - in erster Linie von der betroffenen Gemeinde, der Stadt Heitersheim, finanziert wird. Neben privaten Spenden und den Einnahmen aus Benefizveranstaltungen fliessen auch Zuschüsse des Bundes, des Landes, des Landkreises und Sachbeihilfen des Landesdenkmalamtes ein. So war es möglich auch in Zeiten knapper Finanzmittel ein derartiges Forschungsunternehmen erfolgreich durchzuführen. Derzeit sind - nach Abschluß der Feldforschungen - Überlegungen im Gange, wie die Anlage der Öffentlichkeit präsentiert werden kann.

Der folgende Text stammt aus dem Freiburger Uni-Magazin 6/94 und ist unter http://www.uni-freiburg.de/univ/3w/service/pre/unimagazin/heitersh.html im WWW abrufbar. Die hier angebotene Fassung wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit (z.B. Umlaute) im HTML-Code leicht überarbeitet - der Inhalt blieb unverändert.

 

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