Institut für Ur- und Frühgeschichte Universität Freiburg

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Ergebnisse der archäologischen
Denkmalpflege 1995-1997
in Waldkirch, Lkr. Emmendingen
Von Andreas Haasis-Berner M.A.

Waldkirch liegt ca. 20 km nordöstlich von Freiburg am Ausgang des Elztales. Die reizvolle Lage am Fuße des Kandels markiert gleichzeitig den Rand des des Altsiedellandes. Neben einem La-Tène-zeitlichen Fund gibt es Hinweise auf römische Besiedlung. Anfang des 10. Jhs. wurde in Waldkirch ein Frauenkloster gegründet. Um das Kloster entwickelte sich eine Streusiedlung, wobei zwei Tiefburgen in unmittelbarer Nähe zum Kloster besonders erwähnt werden müssen. Die Gründung der neuen Stadt etwas westlich der Oberstadt erfolgte um die Mitte des 13. Jh. Ab 1287 läßt sich ein Gemeinwesen mit Rat, Siegel und festen Grenzen nachweisen. Im Jahre 1300 erhält die Siedlung Stadtrechte.

Die archäologische Betreuung erfolgte bis vor einigen Jahren wenig intensiv. Es handelt sich um flüchtige Beobachtungen und knappe Dokumentation. Das Landesdenkmalamt wurde nur bei der Verlegung der Heizung in der St. Margarethenkirche tätig. Die übrigen Beobachtungen durch Waldkircher Bürger, hier sind besonders der verdiente Heimatforscher Hermann Rambach zu nennen, ferner Herr Hummel, Herr Quade und vom Tiefbauamt der Stadt Waldkirch Herr Mainard, wurden dem Landesdenkmalamt nicht immer mitgeteilt. Die geringe Aufmerksamkeit bei den umfangreichen Bauarbeiten der letzten Jahrzehnte haben zu einem großen Verlust der archäologischen Quellen und historischen Aussagemöglichkeiten geführt. Seit Frühjahr 1995 werden vom Verf. alle Baustellen systematisch untersucht.

Anläßlich der Marktplatzsanierung von April bis September 1995 konnten Beobachtungen gemacht werden, die unsere Kenntnis von dem Aussehen und der Nutzung des Marktplatzes und damit auch der Geschichte von Waldkirch erweitert haben (Abb. 1, 1). Die Bodeneingriffe betrafen den gesamten Marktplatz, der heute eine Länge von 120 m hat. Der Platz orientierte sich an dem ursprünglichen Verlauf des Dettenbaches, dessen Bachbett durch Auelehmschichten im Nordendes Platzes nachgewiesen werden konnte. Befunde im Bereich des ehemaligen Bachbettes in Form von verschiedenen steinernen Rinnen und Kanalmauern (spätes 16./frühes 17. Jh.; 18. Jh.) lassen den Schluß zu, daß auch nach Bau der Stadtmauer das Wasser zumindest zeitweise über den Marktplatz floß. Schon früher waren im Bereich des Niedertores und des oberen Törles vergleichbare Rinnen geborgen worden, was darauf hinweist, daß der Dettenbach über das Untere Tor in den Stadtgraben geleitet wurde. Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schichten besaßen im Westen eine Mächtigkeit von ca. 1 m und im Osten von 2 m. Auf dem Schotter befand sich eine durchgehende graue Schicht, in welcher graugebrannte Keramik mit schmalem Karniesrand enthalten war. Abgesehen von zwei Lippenrändern, welche eventuell noch dem 12. Jh. angehören, ist der Besiedlungsbeginn ins 13. Jh. zu datieren. Im Osten des Platzes wurden Reste einer 7 m langen Mauer gefunden, die von West nach Ost verlief. Das östliche Ende der Mauer stimmt mit dem Verlauf einer vor wenigen Jahren entdeckten, nach Süden anschließenden Mauer überein. Die Datierung ist nicht eindeutig, doch dürfte es sich nach der im Fundamentbereich geborgenen Keramik um einen Bau des 15. Jhs. handeln. Dank des Entgegenkommens des städtischen Tiefbauamtes konnten die Mauer erhalten werden. Im 16./17. Jh. hat auf der Südseite des Platzes ein Brand einige Häuser zerstört. Eine dicke Schicht aus Holzkohle, Ziegeln, Keramik und Kacheln zeugt von diesem Unglück. Gegen Ende des 16. Jhs. ist auf dem Marktplatz ein neuer Brunnen errichtet worden, dessen Sandsteinfundament (5 x 3 m) jetzt aufgedeckt und dokumentiert werden konnte (Abb. 2). Es handelt sich um 20 viereckige Sandsteinplatten, die mittels Eisenklammern untereinander verbunden waren. In die äußeren Platten war eine etwa 20 cm breite Rinne eingeschlagen worden, welche zur Aufnahme der Brunnenwangen diente. In der Mitte befand sich der Rest eines Brunnenstockes, welcher noch eine Aussparung zur Aufnahme der Steigleitung enthielt. Im Osten des Fundamentes war auf 20 cm Länge eine Vertiefung zur Aufnahme einer Deichelleitung eingeschlagen, von der eine wesentlich schmälere und flachere Rinne für eine Bleileitung in Richtung Brunnenstock abging. Er dürfte nach der in der Fundamentgrube gefundenen Keramik und nach schriftlichen Hinweisen zur Umgestaltung des Marktplatzes Ende des 16. Jh. angelegt worden sein. Im Zusammenhang mit dieser Umgestaltung wurde 1573 auch die Fleischbank abgebrochen, deren Standort unmittelbar westlich des Brunnens durch den Fund auffallend zahlreicher Tierzähne und Knochen nun genauer eingegrenzt werden kann. Auch die Lage der jüngeren Fleischbank zwischen den Stadtmauern am Gewerbekanal konnte zur selben Zeit während einer kleinen Baumaßnahme durch die Beobachtung von ungewöhnlich vielen Knochen in der Verfüllung des ersten Stadtgrabens bestätigt werden (Abb. 1, 2).

Im Zuge der Bauarbeiten an der Gaststätte "Storchen" in der Lange Straße konnten die Reste von 4 übereinanderliegenden Abwasserleitungen dokumentiert werden (Abb. 1, 3). Die ältesten Reste in Form einer Holzleitung, die in 2 m Tiefe in Ton eingebettet war, sind wohl älter als 400 Jahre. Es handelt sich nicht um eine Deichelleitung, sondern um eine Leitung, bei denen die Stämme U-förmig ausgehöhlt, und mit einem aufgenagelten Brett verschlossen wurden. Die drei anderen Leitungen befanden sich stratigraphisch höher. Sie bestanden aus gemauerten 20x20 cm großen, abgedeckten Leitungen, in denen das Abwasser in Richtung Gewerbekanal abfloß. Sie entsprechen in ihrer Bauweise den Leitungen des 18. Jh., die schon mehrfach im Stadtgebiet dokumentiert werden konnten. Die oberste und damit jüngste Leitung wurde wie andernorts auf der Grundstücksgrenze angelegt. Interessant war am "Storchen", wie auch in der Lange Straße, daß in Waldkirch an vielen Stellen mit einem Bodenauftrag von 2-2,5 m seit der Stadtwerdung im 13. Jh. gerechnet werden muß. In der Baustelle "Stochen" konnte auch Keramik des 13. Jhs. geborgen werden. Da keine Baubefunde vorhanden waren, kann sich die heutige Parzellengröße von 7 m möglicherweise mit der mittelalterlichen Aufteilung decken.

Bei der Verlegung der Wasserleitung in der Lange Straße im Frühjahr des Jahres 1996 wurden die Fundamente eines Hauses (Lange Str.58) freigelegt und beseitigt (Abb. 1, 4). Dieses spätmittelalterliche Haus war um 7 m aus der Bauflucht in die Straße gebaut. Durch den verengten Zugang zur Stadt war diese leichter zu verteidigen. An solchen Randbereichen der Stadt wurden häufig Schmiede angesiedelt. In der Tat fanden sich in der Baugrube große Mengen an Schmiedeschlacke und Keramik des 15./16. Jhs.

Die interessantesten Beobachtungen ergaben sich in der Schusterstraße (Abb. 1, 5). Bei dem hier entstehenden Neubau konnte im Zusammenhang mit Keramik des 13.Jh - also vor der im Jahre 1300 erfolgten Stadtrechtsverleihung - Schmiedeschlacke geborgen werden. Offensichtlich war dieses Gewerbe zu diesem Zeitpunkt noch innerhalb der Siedlung angesiedelt. Besonders bemerkenswert ist der Nachweis einen Töpferofens. Allerdings enthielt er nur sehr wenig Keramik, was die genaue Datierung erschwert. Vermutlich stammt er aus dem 17. Jh.. Etwa zur selben Zeit wurden auf dem Grundstück auch Halbedelsteine bearbeitet. Zahlreiche Splitter von Bergkristall und Amethyst, darunter auch Halbfabrikate wie Knöpfe und Perlen, sowie Karneol belegen Produkte dieses für Waldkirch seit dem späten 15. Jh. bedeutenden Gewerbes. Auch hier sprechen die Auffüllschichten und die fehlende Innenbebauung für die Beibehaltung spätmittelalterlicher Parzellengrenzen.

Auf dem Grundstück Lange Straße 16 war es im Frühjahr 1997 erstmals möglich, einen Teil der zweiten mittelalterlichen Stadtumwehrung von Waldkirch archäologisch zu untersuchen (Abb. 1, 6). Die Befunde brachten den Nachweis für die Existenz eines mindestens 8 Meter breiten und ca. 2 m tiefen Stadtgrabens. Auf der Südseite des Grabens befand sich eine Stützmauer (Abb. 4). Die Stadtmauer selbst konnte nicht erfasst werden, da sie sich offenbar außerhalb der nördlichen Parzellengrenze unter den heutigen Häusern befindet. Der Graben - und damit die gesamte Stadtumwehrung - wurde offenbar im 15. Jh. angelegt. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Verfüllung des Grabens ist gering. Offensichtlich wurde sorgfältig auf den guten Zustand des Grabens geachtet. Allerdings ist aufgrund der feuchten und humosen Einfüllungen davon auszugehen, daß ein Teil der städtischen Abwässer in den Graben geleitet wurden. Erst im 18. Jh. begann die verstärkte Verfüllung des Grabens durch Erdreich und Schutt, die im letzten Jahrhundert mit der Bebauung der Grundstücke ihren Abschluß fand. Von Anfang April bis Anfang Juni 1997 wurde als letzte Maßnahme der Stadtsanierung auf dem gesamten Kirchplatz von Waldkirch Baumaßnahmen durchgeführt (Abb. 1, 7). Dabei wurde auf den alten Trassen ein Teil der Abwasserleitung erneuert, wodurch zahlreiche Profilbeobachtungen möglich waren. Da die Oberstadt rund um das Kloster St.Margarethen als ältester Siedlungskern Waldkirchs als Gesamtanlage nach § 19 DSchG unter Denkmalschutz steht, wurden die städtischen Stellen schon früh auf die Bedeutung des Platzes aufmerksam. Aufgrund der guten Absprachen mit dem Landesdenkmalamt, der Aufmerksamkeit der Bauarbeiter und der Tatsache, daß Verzögerungen durch archäologische Ausgrabungen von Anbeginn eingeplant waren, konnten die Arbeiten ohne Stillstand vonstatten gehen. Hinweise auf eine Bebauung oder anderweitige Nutzung konnten nur an einer randlichen Stelle gemacht werden. Im Bereich der Grünfläche im Osten des Platzes befand sich vor dem 15. Jh. ein Friedhof. Dieser wurde durch ein Gebäude überbaut. Von diesem Gebäude konnten drei zusammengehörende Mauerzüge dokumentiert werden. Etwa in der Zeit um 1700 wurde das Gebäude aufgegeben, und ein gemauerter Wasserlauf bis zur Mitte der Grünfläche erbaut. Er dürfte das Wasser des Dettenbaches als Brauchwasser (Mörtelherstellung für die umfangreichen Baumaßnahmen?) von Osten her auf den Platz geleitet haben (Abb. 5).Ansonsten wurde der Platz seit dem 13. Jh. weitgehend als Freifläche genutzt, und gleichzeitig auch durch Abfall, Schutt, Sand und kleinflächige Pflasterversuche um 2 m erhöht. Hinweise auf eine Bebauung des 13. Jhs. konnten im Chorregentengässle, zwischen dem Pfarramt und der St.Margarethenkirche dokumentiert werden. Möglicherweise gehörten die zwei 9 m voneinander entfernten Mauern zur 1178 genannten Walpurga-Kirche (Abb. 1, 8).

Als "Nebeninformation", wurde Verf. auf Keramik und eine Mauer aufmerksam gemacht, die vor Jahren beim Umbau eines Hauses am Kirchplatz in 2,5 m Tiefe beobachtet wurden. Die Keramik konnte als römisch identifiziert werden. Diese Tiefe wurde durch die Baumaßnahmen im Jahre 1997 nur an wenigen Stellen erreicht, ohne daß weitere Funde oder Befunde zutage traten. Eine römische Besiedlung im Bereich der heutigen Oberstadt ist dadurch erstmals erwiesen.

Im April 1997 wurde auf der Westseite der Propsteistraße eine neue Gasleitung verlegt (Abb. 1, 9). Im Profil des Grabens wurde in einer Tiefe von ca. 40 cm eine durchgehende Dachziegelschicht erkannt. Diese zog sich von der Ecke Propsteistraße entlang des ganzen Hofes der Schwarzenbergschule. An einigen Stellen waren größere Lagen von Sandsteinbruch. Abgesehen von einigen Ziegeln und Kachelfragmenten konnte kein datierendes Material geborgen werden. Einige Zeit später wurden im Hof der Schule drei Mauern angeschnitten, die nicht untersucht werden konnten. Aus den Gräben stammt Keramik des 18. Jhs. Schon um die Jahrhundertwende waren beim Bau der Schule Mauern eines urkundliche überlieferten Propsteigebäudes bemerkt worden, welches erst Ende des 18. Jhs. abgebrochen wurde. Ferner schnitt ein Leitungsgraben die ehemalige Umfassungsmauer dieses Areals neben der heutigen Hofmauer. Das Areal ist auf dem ältesten Stadtplan von Waldkirch (1794) nicht bebaut.

Durch die Beobachtung der Gebäudereste im Bereich des Kirchplatzes und der angrenzenden Flächen wird klar, daß die heutige, im 18. Jh. entstandene Bebauung keinesfalls einen älteren Zustand reflektiert, sondern daß die Baustruktur vor 1700 völlig unterschiedlich war.

Literatur:
H. Rambach, Waldkirch und das Elztal. Geschichte in Daten, Bildern und Dokumenten. Bd. 1 Von den Anfängen bis Ende des 18. Jahrhunderts (Waldkirch 1989).


Veröffentlicht in:
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1997 (1998), S. 159-164

 

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